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Wie die Atomwirtschaft mithilft, einen Staatsbankrott Frankreichs herbeizuführen

Das deutsch-französische Spitzentreffen ist beendet. Kanzler Merz hat sich mit seiner atomfreundlichen Haltung gegen die SPD durchgesetzt. Nun trägt die Regierung aus CDU/CSU und SPD den atomfreundlichen Kurs Frankreichs auf EU-Ebene mit.

Im Rahmen dieser weitreichenden Vereinbarung hat sich Deutschland verpflichtet, den französischen Vorstoß zur Nutzung der Kernenergie auf europäischer Gesetzgebungsebene nicht länger zu blockieren.

Zudem wird der gemeinsame Fokus verstärkt auf die Unterstützung gemeinsamer Forschungsprojekte gelegt, insbesondere hinsichtlich innovativer und kleinerer Reaktortypen, die von Frankreich entwickelt werden sollen.

Allerdings finden auch in Deutschland längst umfangreiche Forschungen zu solchen neuen Reaktortypen am KIT in Karlsruhe statt. Darüber hinaus sitzt im Forschungsverbund Erneuerbare Energien sogar ein Atomlobbyist des KIT im Vorstand.

Damit hat die SPD ihre seit Tschernobyl aufgebaute klare Anti-Atompolitik aufgegeben – eine Politik, die ursprünglich zum Schutz der deutschen Bevölkerung vor hochgefährlichen Atomunfällen wie in Tschernobyl oder Fukushima aufgebaut wurde.

Weiterhin ist die deutsche Bevölkerung – wie die gesamte EU-Bevölkerung – durch zahlreiche grenznahe, europäische, uralte und damit hochgefährliche Atomkraftwerke in Belgien, Frankreich, der Schweiz, Tschechien oder Schweden direkt bedroht. Der aktuelle Störfall Kategorie 1 im schwedischen AKW Oskarshamn und der dadurch verursachte monatelange Ausfall beleuchten, dass die Atomgefahren auch in der EU nach wie vor sehr hoch sind.

Der französische Premier hat die Vertrauensfrage gestellt, um den überschuldeten Haushalt zu sanieren, in dem auch die Atomenergie ein massiver Schuldentreiber ist

Premier Bayrou hat die Vertrauensfrage gestellt. Wenn sie – wie zu erwarten – negativ ausgeht, kann sie die ganze Regierung stürzen und eine Staatskrise auslösen. Damit die Verschuldung des Staatshaushaltes nicht weiter uferlos steigt, will Bayrou 44 Milliarden Euro einsparen.

„Unser Land ist in Gefahr, weil wir am Rande der Überschuldung stehen", versicherte Bayrou und erklärte, dass die französische Verschuldung in den letzten beiden Jahrzehnten um 2 Billionen Euro gestiegen sei. Die Verschuldung habe sich "um weitere 12 Millionen Euro jede Stunde an jedem Tag in den letzten 20 Jahren" erhöht.

Die Staatsverschuldung Frankreichs hat mittlerweile mit mehr als 3.000 Milliarden Euro eine höchst kritische Größe erreicht. Im laufenden Jahr werden Zinszahlungen und Schuldentilgung eine Höhe von 67 Milliarden Euro erreichen, warnte Finanzminister Éric Lombard. Das ist mehr als alle Ministerien zusammen ausgeben. Schon jetzt fließt also mehr als die Hälfte alle Staatsausgaben in Frankreich in den Schuldendienst mit Zins und Tilgung! In drei Jahren könnte dieser Betrag auf 100 Milliarden steigen, warnte Lombard. Das gefährdet Investitionen und das wirtschaftliche Wachstum in Frankreich.

Zu diesem riesigen staatlichen Schuldenberg trägt der Staatskonzern EDF (Électricité de France) erheblich bei. Seine Schulden von etwa 50 Milliarden Euro belasten den Staatshaushalt stark. Seit 2023 ist EDF vollständig im Besitz des Staates. Dieser musste das Unternehmen komplett übernehmen, da EDF andernfalls der Konkurs gedroht hätte.

EDF hatte im Jahr 2007 mit dem Bau des Reaktors in Flamanville begonnen. Ursprünglich sah der Plan vor, dass er 2012 ans Netz gehen sollte. EDF veranschlagte damals Kosten von rund 3,3 Milliarden Euro. Der veröffentlichte Bericht des französischen Rechnungshofes beziffert die Gesamtkosten des Baus jedoch auf 23,7 Milliarden Euro – mehr als das Siebenfache des ursprünglichen Budgets. Faktisch musste alles aus dem Staatshaushalt bezahlt werden, ebenso wie die vielen Milliarden an Kostensteigerungen der beiden von EDF gebauten Atomreaktoren im britischen Hinkley Point und finnischen Olkiluoto.

Übrigens hat der neue Reaktor in Flamanville seit seiner Inbetriebnahme im Januar 2025 mehr Strom verbraucht als geliefert und seit 19. Juni 2025 liefert er gar keinen Strom mehr.

Atomstrompreise steigen in Frankreich kräftig

In den vielen Foren der Atombefürworter wird immer wieder der angeblich billige Atomstrom in Frankreich hervorgehoben, wodurch suggeriert wird, dass die Erneuerbaren Energien in Deutschland die Strompreise treiben, während Atomstrom billig sei. Dass der französische Atomstrompreis politisch gedeckelt und nur mit Steuergeldern niedrig gehalten wird, hat die Atombefürworter nie interessiert.

Während in Deutschland die Strompreise für Neuabschlüsse dank der günstigen Erneuerbaren Energien stetig sinken, steigen die Strompreise für Verbraucher in Frankreich rasant auf immer neue Rekordniveaus. Der französische Atomstrom wird auch in Zukunft deutlich teurer werden.

Der französische Präsident Macron hatte den jährlichen Anstieg der Strompreise 2022 auf 4 Prozent gedeckelt und die dadurch verursachten Milliarden an Mehrkosten des staatlichen Energieversorgers EDF durch höhere Schulden übernommen. Die Deckelung spiegelte also nicht die realen Marktpreise wider. Damit ist nun Schluss: Die Strompreiserhöhungen 2023 und 2024 waren für die französischen Verbraucher bereits drastisch. Dabei ist die Preiserhöhungswelle noch nicht beendet. Für 2026 wird eine erneute Strompreiserhöhung um 67 % erwartet.

Damit dürfte auch die Mär vom billigen Atomstrom zu Ende gehen – falls die Faktenleugner unter den Atombefürwortern von Söder über Merz bis Weidel das überhaupt mitbekommen.

Die hohe Staatsverschuldung Frankreichs zwingt dazu, dass nicht weitere Steuergelder zur Verbilligung der Verbraucherstrompreise ausgegeben werden. Die Zinsen und Tilgungen der Schulden, die in den letzten Jahren zum Subventionieren der Atomstrompreise eingesetzt wurden, werden den Staatshaushalt jedoch noch viele Jahre belasten und seine Sanierung erschweren.

Die Atomneubaupläne Frankreichs würden die Staatsschulden um weitere 100 Milliarden Euro in die Höhe treiben

All das und selbst die exorbitante Staatsverschuldung spielten auf dem jüngsten deutsch- französischen Gipfel keine echte Rolle. Dabei läuft Frankreich, wenn nicht bald radikal gegengesteuert wird, gerade wegen seiner Atompolitik auf einen Staatsbankrott zu – ähnlich wie einst Griechenland.

Daher hat der Präsident des französischen Rechnungshofs, Pierre Moscovici, dringend davor gewarnt, die Atomausbaupläne fortzuführen. Eine Neuverschuldung von weiteren 100 Milliarden Euro droht durch diese Pläne.

Staatsschulden und Atomkraft können die EU-Wirtschaft insgesamt massiv unter Druck setzen

Die Warnungen des französischen Rechnungshofs vor dem weiterhin unbezahlbaren Ausbau der Atomwirtschaft werden von Macron und Merz schlicht ignoriert.

Der Pro-Atom-Beschluss auf dem deutsch-französischen Gipfel läuft diametral zum größten französischen Problem: der rasant steigenden Staatsverschuldung. Mir ist noch gut in Erinnerung, wie stark die griechische Staatsfinanzkrise um 2010 auch den deutschen Haushalt und die EU-Wirtschaft belastet hat. Eine gesamteuropäische Rettung Frankreichs – ähnlich wie damals Griechenlands – würde unsere Wirtschaft und Finanzwelt ungleich stärker belasten, wahrscheinlich sogar überlasten.

Die Zahlen sind tatsächlich besorgniserregend: Nach Griechenland und Italien hat Frankreich die dritthöchste Schuldenquote in der EU mit 113 % des Bruttoinlandsprodukts.

Zum Vergleich: Im Jahr 2024 betrug die deutsche Schuldenquote etwa 63 % des BIP. Damit lag sie bereits über der Schwelle von 60 %, die im Rahmen der Maastricht-Kriterien als Obergrenze für EU-Staaten gilt. Die Schuldenquote Frankreichs liegt jedoch fast doppelt so hoch wie in Deutschland und deutlich über dem zulässigen Maastricht-Limit.

Der Ausbau der EU-Atomenergie wird neue Gefahren schaffen und viele EU-Volkswirtschaften immer tiefer in die Überschuldung treiben

Es ist sehr besorgniserregend, dass die politische Führungsriege in großen Teilen Europas – insbesondere in den beiden größten EU-Volkswirtschaften – die Fakten und Zusammenhänge von Schulden und Atomenergie ignoriert und selbst die Warnungen des französischen Rechnungshofs missachtet.

Längst ist durch umfangreiche wissenschaftliche Forschungen belegt, dass Atomenergie zu gefährlich ist, immens hohe Kosten verursacht, mit einem starken Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht vereinbar ist und die Atommüllprobleme selbst nach 70 Jahren Atomwirtschaft weiterhin ungelöst sind.

Doch was scheren Merz und Macron diese wissenschaftlich belegten Fakten?

Dass die deutsche Regierung nun die Atomausbaupläne in der EU nicht mehr behindern will, wird nur die Staatsverschuldungen auch in anderen EU-Ländern weiter nach oben treiben. Unbezahlbare Atompläne existieren unter anderem in Tschechien, Polen, Belgien, den Niederlanden und Ungarn. Die Verwirklichung dieser Pläne würde der EU-Wirtschaft einen massiven Niedergang bescheren. Kein einziger privater Betreiber hat je in Atomenergie investiert und wird es jemals tun – schlicht, weil sie komplett unwirtschaftlich ist und es schon immer war.

Ich kann nicht begreifen, warum diese Zusammenhänge in den Regierungen Deutschlands und Frankreichs keine Rolle spielen, in den großen Medien nicht thematisiert werden und die atomare Verblendung ungebremst weiter voranschreitet.

Quelle: www.hans-josef-fell.de 

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